Egal ob Exploitation, Gialli, Horror oder Sci-Fi...
Von Grindhouse bis Arthouse...
Besprechungen übersehener, unterbewerteter oder obskurer Werke der Filmgeschichte!

Mittwoch, 16. Mai 2012

Italienisches Urgestein

The Girl Who Knew Too Much (La Ragazza Che Sapeva Troppo)
I 1963
R.: Mario Bava


Worum geht's?: Die junge Amerikanerin Nora (Letícia Román) trifft mit dem Flugzeug in Rom ein und wird bereits vor der Einreise Opfer eines Verbrechens: ihr werden Joints untergeschoben. Als sie bei ihrer Tante eintrifft, wo sie die nächste Zeit verbringen soll, stirbt diese wenig später an einem Herzproblem. Nora macht sich auf den Weg zum netten Dr. Bassi (John Saxon), welcher Tantchens Herz behandelte und wird prompt auf dem Weg Zeugin eines Frauenmordes.
In den nächsten Tagen befreundet Nora sich mit einer Nachbarin ihrer Tante namens Laura (Valentina Cortese), und erfährt von einer Reihe von Morden in der unmittelbaren Nähe - Morde, die nach der Reihenfolge der Buchstaben des Alphabets verübt werden.
Mit der Hilfe Dr. Bassis ermittelt Nora auf eigene Faust; schon allein weil sie von einer Stimme am Telefon bedroht wird, welche Nora davon in Kenntnis setzt, das ihr Nachname Davis lautet und das vierte Opfer schließlich ebenfalls mit dem Buchstaben "D" beginnen muss.
Immer tiefer gerät Nora in den Strudel aus Mord und Wahnsinn und stößt letztendlich auf den Mörder.


Wie fand ich's?: Den Anhängern des italienischen Genrekinos mag der Titel, des hier besprochenen Films, sofort bekannt sein; handelt es sich doch um den ersten Giallo
Dieser Mix aus (Psycho-)Thriller, deutschem Krimi und Horrorfilm kommt oft noch mit einer gehörigen Prise Sex daher und gehörte in den Jahren 1963 bis etwa Anfang der 90er Jahre zu einem der in Italien in rauher Menge produzierten Filmgenres.
Mario Bava machte in diesem Bereich gleich mit zwei seiner frühen Werke auf sich aufmerksam, zum einen mit eben La Ragazza Che Sapeva Troppo und zum anderen mit dem berühmteren Sei Donne Per L'assassino (1964, dt.: Blutige Seide), welcher für den Giallo noch wesentlich stilbildender als Ersterer wirkte. Zudem sollte La Ragazza Che Sapeva Troppo Bavas letzter Schwarz-Weiss-Film sein, spätere Werke des Meisters führten dann ein weiteres, oft kopiertes, Trademark mit sich: Farbeffekte, welche die Szenerie oftmals in grelle Primärfarben tauchen.
Hier hingegen regieren wunderbare Schattenspielereien (welche den Film in die Nähe von Bavas Gothic-Horror-Meisterwerks La maschera del demonio [1960, dt.: Die Stunde wenn Dracula kommt] rücken); wobei Bava es sich weder nehmen ließ die Kulissen persönlich auszuleuchten, noch sich auch im Vorspann bereits in dieser Funktion namentlich zu erwähnen.
Was die oben nur sehr oberflächlich umrissenen Story betrifft, kann man hier nur einmal mehr auf das meist im Giallo anzutreffende Prinzip "Style-Over-Substance" hinweisen. Die Geschichte um Nora wirkt schon beim ersten Sehen extrem konstruiert, doch gelingt es dem Drehbuch, einige Finten und Fallen einzubauen; so dass die Auflösung des Ganzen nicht wirklich direkt auf der Hand liegt.
Bava selbst sollte sich später unzufrieden über seinen Ur-Giallo äussern und kein gutes Haar an den eigentlich sehr gut agierenden Hauptdarstellern lassen.
Sieht man sich den Film heute an, trifft man auf einen sehr unterhaltsamen, spannenden Film, der (nicht nur im Titel) Hitchcock nacheifert - aber von späteren Werken des Genres durchaus übertroffen wird; allen voran vielleicht Dario Argentos L'uccello dalle piume di cristallo (1970, dt.: Das Geheimnis Der Schwarzen Handschuhe), dessen Plot sich von Bavas Film einige wichtige Elemente "entleiht".





Fazit: Ein Klassiker seines (Sub-)Genres- für Fans eh' unumgänglich... Leider nie in Deutschland veröffentlicht worden...

Punktewertung: 8,25 von 10 Punkten