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Donnerstag, 24. Mai 2012

Stiller Wahn auf dem Lande

Das verfluchte Haus (Un tranquillo posto di campagna)
I 1968
R.: Elio Petri

Worum geht's?: Leonardo Ferri (Franco Nero) schafft Kunst, die ebenso wirr und abstrakt ist, wie seine (Tag-)Träume und Gedankenwelten.
Geplagt von sexueller Neurose und Minderwertigkeitskomplexen streift er oft umher und stößt so eines Tages auf eine alte, leerstehende Villa auf dem Land.
Leonardo bekniet seine Managerin und Geliebte Flavia (Vanessa Redgrave) mit ihm das Haus zu beziehen, um dort endlich zur inneren Ruhe gelangen und arbeiten zu können.
Nach dem Einzug in das etwas faulige Gemäuer geschehen jedoch (wie der deutsche Titel bereits erahnen lässt) unheimliche Dinge im neuen Domizil und Leonardo erfährt von einer tragischen Liebesgeschichte, welche mit dem Tod einer jungen Adelige zu Zeiten des Zweiten Weltkriegs ein jähes Ende fand.
Immer weiter steigern sich die Ereignisse für den ohnehin äußerst labile Maler zum Extrem, und bald sind für ihn die Grenzen zwischen Wahn und Realität lange überwunden.

Wie fand ich's?: Wenn zu Beginn eines Films ein nackter Franco Nero gefesselt auf einem Stuhl sitzt und eine unbeeindruckte Vanessa Redgrave ihm ihre neusten Einkäufe an Elektrokleinartikeln anpreist, ist man als Zuschauer entweder schon für alles Kommende gewonnen oder bereits gänzlich verloren.
Tatsächlich macht es Elio Petri seinem Publikum mal wieder nicht einfach, lässt man doch einen geschlossenen Spannungsbogen ebenso außen vor, wie eine sofort durchschaubare Handlung.
Auch der Score von Maestro Ennio Morricone ist alles andere als einfach zu ertragen, besteht er doch fast vollkommen aus dissonanten Tonfolgen, was zwar die Story unterstreicht, aber den Zuschauer durchaus (gewollt) quält.
Nero wirkt in der Rolle teilweise etwas überfordert, ergänzt sich aber mit der Redgrave zu einem soliden Ganzen - die beiden heutigen Ehepartner waren bereits zur Zeit der Dreharbeiten ein Paar gewesen, was man aber nicht unbedingt der darstellerischen Leistung entnehmen kann.
Kameramann Luigi Kuveiller hingegen, der auch mit Italogrößen wie Argento, Fulci, Corbucci und Sollima arbeitete, liefert deutlich erkennbar erstklassiges Handwerk ab, seine Bilder sind mal wild, mal romantisch, mal grell und mal ruhig.
Wer jedoch glaubt, dass dieser Film lediglich auf einer visuellen Ebene funktioniert, der sieht sich spätestens bei der wunderbar zynischen Endsequenz getäuscht, welche das zuvor Gesehene in ein neues Licht und den Zuschauer aus der Spur wirft. Da macht es wenig, dass der deutsche Titel dumm gewählt wurde und eine wörtliche Übersetzung des italienischen Titels, wie z. B. "Ein ruhiger Platz auf dem Lande", deutlich besser gewesen wäre.

Fazit: Großes, psychodelisches 60er Jahre Italokino - weitab von jeglicher kommerzieller Anbiederung.


Punktewerung: geistig gesunde 8,25 von 10 Punkte