Egal ob Exploitation, Gialli, Horror oder Sci-Fi...
Von Grindhouse bis Arthouse...
Besprechungen übersehener, unterbewerteter oder obskurer Werke der Filmgeschichte!

Montag, 16. Juli 2012

Blutsauger unterm Eiffelturm

Der Vampir von Notre Dame (I Vampiri)
I 1956
R.: Riccardo Freda/Mario Bava


Worum geht's?: Junge Frauen verschwinden in der Seinemetropole spurlos und werden einige Tage später ohne einen Tropfen Blut im Leib tot aufgefunden.
Die Presse spricht bereits von einem Vampir und der fesche Journalist Pierre (Dario Michaelis) hat sich in den Kopf gesetzt, den Täter ausfindig zu machen.
Bei seiner Recherche trifft er auf die Schülerin Lorette (Wandisa Guida), welche jedoch schon bald ebenfalls verschwindet.
Was Pierre noch nicht weiß: die Spur führt zu seiner alten Flamme Giselle (Gianna Maria Canale), welche die Nichte der wohlhabenden Duchesse du Grand ist und die sich noch immer nach dem abweisenden Reporter verzehrt.
Doch neben der Schönheit ist auch noch ihr Onkel, der sinistere Dr. Julien du Grand (Antoine Balpêtré), sowie ein Drogensüchtiger namens Joseph (Paul Muller) in die unheimlichen Todesfälle verstrickt, wobei Letzterer schnell Pierres Augenmerk auf sich zieht.
Wird es unserem Helden gelingen die Blutsauger ausfindig zu machen, bevor sie weitere Opfer fordern?


Wie fand ich's?: Riccardo Freda wettete mit den Produzenten des Films, dass er diesen Film in nur einem Dutzend Tage abdrehen könnte. Nach zehn Tagen warf der erfahrene Regisseur jedoch das Handtuch und sein ungemein talentierter Kameramann namens Mario Bava sollte den Film in der Zeit fertigstellen.
So die wahre Legende um die Entstehung des ersten Horrorfilms nach dem repressiven Regime des Duce.
Man muss nämlich wissen, dass während der Herrschaft des Faschisten Mussolini, die Produktion von Gruselfilmen in Italien praktisch tabu war, das Volk hatte den Horror bereits vor der eigenen Tür und sollte ihn nicht auch noch im Kino vorfinden.
So dauerte es eine gute Dekade, bis Riccardo Freda und Mario dem Genre auch im Lande der Pasta und des Vino wieder neue Geltung verschaffen konnten.
Dabei war I Vampiri ein Flop an den Kinokassen; das Volk war wohl tatsächlich noch nicht wieder reif für die spannende, an die Person Elisabeth Barthory angelehnte, Story, welche so großartig Mad-Scientist-Elemente mit Gothic-Horror mischt und bereits in einigen Szenen (man nähme nur die Entführung der Tänzerin) das von Bava sieben Jahre später mit La ragazza che sapeva troppo (vgl.  http://dieseltsamefilme.blogspot.de/2012/05/girl-who-knew-too-much-la-ragazza-che.html) initiierte Genre des Giallo vorwegnimmt.
Neben den tollen, aufwändigen Sets, welche durchaus mit teuren US-Produktionen der Zeit mithalten konnten, weiß auch die Besetzung zu überzeugen.
Gianna Maria Canale füllt ihre Rolle als feurige Verführerin mit finsterem Geheimnis sehr gut aus, obwohl man hier als Freund des Genres etwas die später unvermeidliche und allgegenwärtige Barbara Steele vermisst.
Hauptdarsteller Dario Michaelis hingegen wirkt als einziger Darsteller etwas hölzern und limitiert, spielt aber motiviert genug, um dies wieder wettzumachen.
In der Nebenrolle des drogensüchtigen Joseph Signoret kann der Trash-Kenner einen jungen Paul Müller, der zurecht als Veteran des Exploitationkinos bezeichnet werden kann. Neben Rollen bei Jess Franco, Tinto Brass oder Amando de Ossorio, konnte man den Schweizer Müller, welcher meist unter dem im Ausland besser aussprechbaren Pseudonym Paul Muller spielte, auch in deutschen Serien wie Derrick, Der Alte oder Der Kommissar sehen.
Die Story mag für heutige Verhältnisse zwar sehr vorhersehbar ablaufen, doch unterstreicht gerade das in meinen Augen noch den nostalgischen Charme. Ich persönlich wusste nach etwa fünfzehn Minuten, was bzw. wer sich hinter den Vampiren verbirgt, sah dies allerdings nicht als extrem negativ an, was die übrigen, oben genannten Qualitäten des Films eigentlich nur bestätigt.


Fazit: Für Bava-Fans unverzichtbarer, toll ausgestatteter Old-School-Grusel! In der besten aller möglichen Welten liefe so was ständig im Nachtprogramm!

Punktewertung: 8,25 von 10 Punkten