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Von Grindhouse bis Arthouse...
Besprechungen übersehener, unterbewerteter oder obskurer Werke der Filmgeschichte!

Dienstag, 31. Juli 2012

Kein Sand im Getriebe

Die Frau in den Dünen (Suna no onna)
J 1964
R.: Hiroshi Teshigahara


Worum geht's?: Japan, zur Mitte der sechziger Jahre.
Der Schullehrer Niki Jumpei (Eiji Okada) sammelt an einem Urlaubstag Insekten im Sand, der am Meer gelegenen Dünen.
Mit Gedanken an seine offenbar gescheiterte Ehe beschäftigt, verpasst er am Ende des Tages den Bus zurück in die Stadt und willigt ein, als ihm ein Dörfler eine Bleibe für die Nacht in einem nahegelegenen Dorf vorschlägt.
Die Bleibe stellt sich als ein vollkommen vom Sand umgebenes Haus heraus, welches nur durch eine Strickleiter und einen Flaschenzug mit der Außenwelt verbunden ist.
Hier trifft Niki auf die einzige Bewohnerin des Hauses (Kyôko Kishida), welche den Film über namenslos bleibt, und die bereits Gatten und Kind an die ständig auf das Haus einrieselnden Sandmassen verloren hat.
Der Lehrer stellt sich zunächst auf eine einzige Übernachtung in der ärmlichen Hütte ein, doch muss er bereits am nächsten Morgen erkennen, dass er ohne Leiter oder Seil die Sandgrube nicht verlassen kann und praktisch ein Gefangener in diesem Haus ist.
Nach und nach dämmert es ihm, dass er das Opfer eines ebenso simplen wie perfiden Plans der Dörfler geworden ist, der Frau in den Dünen eine zusätzliche Arbeitskraft zu besorgen, welche die baufällige Holzhütte vor den drohenden Sandmassen verteidigen soll.
Niki schmiedet immer neue Fluchtpläne, doch die Dörfler sind aufmerksam und es befindet sich tückischer Treibsand zwischen den Dünen.
Zudem scheinen sich der Hobby-Insektensammler und die Frau in den Dünen auch körperlich näherzukommen...


Wie fand ich's?: Es gibt Filme, da stimmt einfach alles. Egal ob Stil, Story, Musik, Besetzung etc. - alles könnte besser nicht sein.
So verhält es sich in der Tat auch mit Suna no onna; einer meisterlich gestalteten Geschichte, welche viele Interpretationsebenen zulässt und mithin durch die Verwendung von Schlagwörtern wie Märchen oder Fabel etwas zu einfach kategorisiert wird.
Ich möchte an dieser Stelle nun nicht mit einer ausführlichen Interpretation meinerseits langweilen und den auf einem Drehbuch des japanischen Literaten Abe Kōbō basierenden Film aus europäischer Sicht nur als eine Mischung aus auch bei Kafka und Brecht immer wiederkehrenden Motiven beschreiben.
Ob man die Geschichte nun als Sozialkritik, religiöse Metapher (auch auf den Zen-Buddhismus) oder als Allegorie auf den Sinn des Lebens an sich begreift, bleibt jedem Zuschauer am Ende eh' selbst überlassen.
Fakt ist, dass dieser Film unendlich viel geben will und kann.
Die Bilder der ständig strömenden Sandmassen sind atemberaubend, ebenso die knisternde, spröde Erotik, welche in der Mitte des Films plötzlich auftaucht.
Handwerklich befindet sich Suna no onna auf höchstem Niveau und auch auf der darstellerischen Seite hat man es hier nur mit Gold zu tun.
Ich habe seit langer Zeit keinen Film mit einer Laufzeit von über 145 Minuten mehr gesehen, der mich nicht eine Sekunde gelangweilt hat.
Somit bleibt mir nur mich vor diesem Magnum Opus zu verbeugen und eine anständige deutsche Veröffentlichung in der Arthaus Premium-Reihe einzufordern. Das muss doch endlich möglich sein, oder?


Fazit: Ein hierzulande leider viel zu unbekanntes Meisterwerk. Schlicht unendlich schön und von schlichter, unendlicher Schönheit!

Punktewertung: 10 von 10 Punkten