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Von Grindhouse bis Arthouse...
Besprechungen übersehener, unterbewerteter oder obskurer Werke der Filmgeschichte!

Donnerstag, 30. August 2012

Stundenweiser Einsatz auf'm Kiez

Das Stundenhotel von St. Pauli
BRD 1970
R.: Rolf Olsen


Worum geht's?: Der Sohn von Kommissar Canisius (Curd Jürgens) liegt nach einer Demo im Operationssaal eines Hamburger Krankenhauses, als sein Vater zu einem Einsatz im Stundenhotel "Ostend" gerufen wird.
Hier wurde ein Homosexueller unter der Dusche erstochen und der Täter muss sich noch unter den illustren Gästen des Etablissements aufhalten.
Neben dem jovialen Portier Lucas Freund (Walter Buschhoff), der grantigen Putzfrau Rose (Brigitte Mira), dem netten Zimmermädchen Anna (Monika Hielscher) und deren Freund Karl (Michael Maien), treiben sich eine Menge leichter Mädchen (u. a. Andrea Rau und Corny Collins) sowie Freier und Gangster herum.
Dass der Portier einen flüchtigen Drogenkranken, der kurz zuvor bei einem gescheiterten Einbruch einen Polizisten niedergeschossen hat, in einem Raum des Hotels versteckt, ist nur ein Detail, das die Ermittlungen weiter kompliziert.
Während der außen harte, innen zarte Kommissar um seinen Sohn bangt, tun sich im Stundenhotel von St. Pauli wahre Abgründe auf...

Wie fand ich's?: Bei einem alten Schauspielhaudegen wie Curd Jürgens weiß man in der Regel, was man bekommt. So lieferte der "normannischen Kleiderschrank" auch hier ordentlich ab und veredelt diese Perlen der German-Exploitation durch seine Kunst.
Was den Film neben Jürgens sehenswert macht, ist die wahre Ansammlung von Dramen, Tragödien und Verbrechen. Neben Beischlafdiebstahl, krankhaftem Voyeurismus bei Frauen, dem Mord an einem Homosexuellen und dem Plan eines Familienvaters seine Frau, dessen Liebhaber und schließlich sich selbst zu erschießen, gibt es eine komische Einlage mit einem lüsternen "Ästheten" im Satanskostüm, der die wie immer schön anzusehende Andrea Rau mit Blumen schmückt, um ihr dann mit seinen Satanshörnern in die Brüste zu pieksen.
Brigitte Mira, Berliner Urgestein, gibt auch auf dem Kiez eine wundervolle, dauergefrustete Putzfrau, die dem gebeutelten Kommissar auch schon mal zwei doppelte Cognacs in Folge einschenken muss.
Sowieso hervorzuheben, ist die Geschichte um den bei einer Demo von einem Polizisten schwer verletzten Sohn des Kommissars, der nun emotional zwischen Pflicht, Sorge und Wut pendelt.
Die Idee, sich damit auch mitunter solidarisch auf die Seite der Studentenbewegung zu stellen und die Gewalt von Staatsorganen gegen Demonstrierende anzusprechen und damit auch Stellung zu beziehen, ist für einen bloßen Unterhaltungsfilm dieser Zeit außerordentlich bemerkenswert.
Rolf Olsen (*1919;  †1998), der umtriebige Allesfilmer aus Österreich, drehte in den 60ern und 70ern eine ganze Reihe von St. Pauli-Filmen, darunter auch Wenn es Nacht wird auf der Reeperbahn (BRD 1967) und Der Arzt von St. Pauli (BRD 1968) in dem ebenfalls Jürgens in der Titelrolle zu sehen war.
Bei Fans zünftiger Exploitation machte sich Olsen spätestens 1972 mit dem Kultstreifen Blutiger Freitag und später mit den beiden Mondos Schocking Asia I + II (BRD/HK 1976 bzw. 1985) einen Namen und auch ein Besuch im Stundenhotel von St. Pauli sei an dieser Stelle jedem Interessierten angeraten.

Fazit: Buntes Kiez-Panoptikum mit Lokalkolorit, Schießerei und Brigitte Mira im Putzkittel!

Punktewertung: 8 von 10 Punkten