Egal ob Exploitation, Gialli, Horror oder Sci-Fi...
Von Grindhouse bis Arthouse...
Besprechungen übersehener, unterbewerteter oder obskurer Werke der Filmgeschichte!

Mittwoch, 10. Oktober 2012

Exzentrische Adlige voller Mordlust

The Sadistic Baron Von Klaus (La mano de un hombre muerto)
E 1962
R.: Jess Franco

Worum geht's?: Im schönen Städtchen Holfen geht ein Frauenmörder um. Die Alteingesessenen wissen auch genau, wer der Unhold sein soll: der vor 500 Jahren verstorbene Baron Von Klaus, ein Sadist und Frauenhasser, wie er im Buche steht (bei de Sade halt...) und nun ein des Nachts herumstreifender Geist mit mörderischen Absichten.
So eine Geschichte bleibt natürlich nicht lange im Verborgenen, und so schickt das wunderschön betitelte Magazin Mädchen und Mörder Wochenzeitung ihren besten Mann, Karl Steiner (Fernando Delgado) nach Holfen, um von dort sowohl über Mädchen wie Mörder zu berichten.
Hier hat Inspektor Borowsky (George Rollin) bereits Witterung aufgenommen und bereits so manches Alibi gecheckt und schon bald deuten tatsächlich mehrere Spuren in Richtung des heutigen Barons, Max Von Klausen (Howard Vernon), der unter falschem Namen im Hotel vor Ort abgestiegen war.
Doch als seine Geliebte ihm ein wasserfestes Alibi verschafft und ein weiterer Mord passiert, muss sich der Inspektor nach einem neuen Verdächtigen umsehen und die schöne Karine (Paula Martel) muss weiter Angst im Hause der Von Klausens haben, wo sie doch gerade erst mit ihrem Liebsten, Ludwig Von Klausen (Hugo Blanco), einem kultivierten Feingeist und Freund klassischer Musik, dort eingetroffen ist.
Potenzielle Opfer gibt's in dem kleinen Örtchen wohl noch genug, und so lässt die nächste Untat nicht lange auf sich warten.
Wer wird zum nächsten Opfer des schwarz gekleideten Killers?

Wie fand ich's?: Dies ist einer der ersten Filme des berüchtigten Vielfilmers Jess Franco, der es bis heute auf weit über hundert Werke von zumeist eher zweifelhafter Qualität bringt. Dabei hat er fast alle Genres bedient, nur das des Westerns nicht, weil er diesen, so sagte er mal selbst, einfach zu sehr mag.
Wie bei allen echten Künstlern (hüstel...), finden sich auch in Francos Arbeiten immer wieder Leitmotive, welche sich wie ein roter Faden durch sein Oeuvre ziehen.
So kulminiert schon dieser Streifen in einer für 1962 sehr gewagten Szene, in der eine gefesselte Frau im nietenbesetzten G-String mit Peitsche und glühendem Schneidwerkzeug zu Tode malträtiert wird.
Hier zeigt sich also bereits sein Faible für nackte Haut und sein S/M-Fetisch, der spätestens in Filmen wie Marquis de Sade: Justine (E/I/BRD/LI 1969) oder Der heiße Tod (E/I/UK/BRD/LI 1969) voll zur Geltung kamen - beide Filme greifen im Übrigen Themen auf, welche Franco im Laufe seiner Karriere immer wieder abarbeiten wird: das Werk des Marquis de Sade und leicht bis unbekleidete Frauen hinter Gittern.
In La mano de un hombre muerto findet man zumindest Anklänge an den berüchtigten Adligen aus der Provence wieder.
Was diesen Film jedoch von vielen seiner unzähligen späteren Werke abhebt, ist hier Francos noch vorhandenes Gespür für Atmosphäre und ein gesteigertes Interesse an der Inszenierung im Allgemeinen, beides Dinge, die, der im Laufe seiner Karriere immer mehr zum besessenen Akkordarbeiter evolvierende Franco, zugunsten eines immensen Outputs gerne links liegen ließ.
Hier hingegen bekommt man den Eindruck, dass Franco tatsächlich voll auf der Höhe der Zeit ist und bereits Stil und Flair der zu diesem Zeitpunkt und in den folgenden Jahren in Europa aufkommenden Krimis und Gialli aufgreift, wenn nicht sogar teilweise vorwegnimmt.
Die als Handlungsort gewählte, fiktive deutsche Stadt Holfen, welche scheinbar irgendwo im Bayrischen liegen soll, in der aber immerhin Dortmunder Aktienbier ausgeschenkt wird, zeugt zusätzlich von dem Versuch eines spanischen Filmemachers, diesen Film unmittelbar neben den sehr erfolgreichen Produktionen der Rialto Film positionieren zu können.
So ist La mano de un hombre muerto vielleicht der Titel, mit dem sich Jess bei Atze Brauner bereits vorzeitig für die Regie bei El Muerto hace las maletas (E/BRD 1971 dt.:Der Todesrächer von Soho) empfehlen konnte - dem Remake der 1962 von Werner Klingler gedrehten Bryan Edgar Wallace-Adaption Das Geheimnis der schwarzen Koffer.
Der Todesrächer von Soho sieht dann auch wie ein billiges Plagiat eines Edgar-Wallace-Streifens aus und kündet von Francos zu dieser Zeit schon vorherrschender, überstürzter Arbeitsweise.
Man kann also sagen, dass Franco neun Jahre nach dem soliden La mano de un hombre muerto nur noch eine billige, verwaschene Kopie seiner selbst war...

Fazit: Netter Krimi mit einem für die Entstehungszeit außergewöhnlichen Finale - Fans von Fuchsberger & Co. dürfen hier ruhig mal einen Blick riskieren!

Punktewertung: 6 von 10 Punkten