Egal ob Exploitation, Gialli, Horror oder Sci-Fi...
Von Grindhouse bis Arthouse...
Besprechungen übersehener, unterbewerteter oder obskurer Werke der Filmgeschichte!

Sonntag, 23. Dezember 2012

Nager im Schafspelz

Der Rattengott (Izbavitelj)
YU 1976
R.: Krsto Papic


 Worum geht's?: Der Balkan irgendwann in den 20er Jahren.
Die Städte zerfallen in Dreck und Ungeziefer, Arbeitslosigkeit und Verzweiflung machen sich im Volke breit.
Der Schriftsteller Ivan (Ivica Vidovic) versucht erfolglos sein neustes Werk an den Mann zu bringen und landet wenig später prompt wohnungslos auf der Straße.
Auf einem Markt trifft er die hübsche Sonja (Mirjana Majurec), welche ebenfalls versucht, einigen Hausrat zu Geld zu machen und dem abgebrannten Ivan außerdem noch ihre Telefonnummer verrät.
Als Ivan im Park nächtigen will gerät er an einen Nachtwächter, der sich als alter Freund herrausstellt und ihm aus Mitleid das alte, leer stehende Bankgebäude als Ruhestädte für eine Nacht anbietet.
Ivan willigt gern ein, doch statt der ersehnten Bettruhe findet der Schriftsteller eine sonderbare Party im großen Saal vor.
Hier amüsieren sich seltsame Gestalten bei Völlerei, Tanz und sexuellen Ausschweifungen und huldigen ihrem "Retter", der Sonjas Vater, Professor Boskovic (Fabian Sovagovic), akut nach dem Leben trachtet.
Dieser hat nämlich eine Lösung entwickelt, welche die sich hinter einer menschlichen Fassade versteckten Ratten sichtbar macht und tötet.
Aus einem alten, deutschen Text erfuhr der Gelehrte von der uralten Legende des Rattenkönigs, der mit seinen Scharen sich die Welt untertan machen will.
Zusammen mit Ivan und seiner Tochter Sonja, nimmt es der alte Mann mit einer Bedrohung auf, die ihre Kreise bereits viel weiter zieht, als man vermuten konnte.


Wie fand ich's?: Gerade in den Filmen des osteuropäischen Raums findet man sehr oft starke politische Subtexte, was nicht nur auf das intellektuelle Kunstkino zutrifft, sondern auch im Mainstream anzutreffen ist.
So ist der 1976 erschienene Izbavitelj zunächst ein Horrorfilm, aber bereits ein zweiter Blick offenbart die offenkundige Faschismuswarnung hinter der Geschichte.
Wie in den (Genre-)Klassikern Invasion of the Body Snatchers (USA 1956 R.: Don Siegel dt.: Die Dämonischen), The Hidden (USA 1987 R.: Jack Sholder dt.: The Hiden - Das unsagbare Böse) oder dem konsumkritischen They Live (USA 1988 R.: John Carpenter dt.: Sie Leben!), verstecken sich Verschwörer hinter einem menschlichen Äußeren und nur die Helden können diese Bedrohung auf eigene Faust aufhalten.
Izbavitelj basiert auf einer Geschichte des russischen Literaten Alexander Grin, welcher diese bereits im Jahr 1924 verfasste und in dieser fast prophetisch vor dem aufkommenden Faschismus warnt.
Regisseur Papic verwendet neben Grins Grundmotiven allerdings auch zahlreiche, klassische Elemente des Horrorfilms, wobei man bemerken muss, dass gerade die Masken und Make-up-Effekte ebenso simpel wie wirksam sind.
Die aus den Mündern ragenden Rattenzähne der Bösewichte erinnern hier stark an Kinskis Fänge in Werner Herzogs Nosferatu - Phantom der Nacht (BRD/F 1979), der ja nur drei Jahre nach Izbavitelj entstand und ebenfalls Ratten als Metapher für Krankheit und moralischen Verfall verwendet.
Leider findet sich in Papics Film kein Akteur, der es mit Kinski auch nur annähernd aufnehmen könnte, trotzdem ist man auf der darstellerischen Ebene durchgehend gut bedient.
Ein weiterer kleiner Negativpunkt, der Izbavitelj davon abhält nach der Höchstbewertung zu greifen, ist das sich in der Dramaturgie etwas zu sehr überschlagende Schlussdrittel. Zwar schätze ich im Allgemeinen Filme, welche es in einer kurzen Laufzeit schaffen ihren Stoff zu erzählen (Izbavitelj läuft dabei gerademal läppische 74 Minuten) und den Zuschauer nicht mit Unnötigem langweilen, doch überstürzt sich Papic geradezu, seinen Film zu einem Ende zu bringen.
Trotzdem hat mit dieser in Vergessenheit geratenen (VHS-)Rarität mit einem äußerst interessanten Genrevertreter aus dem ehemaligen Jugoslawien zu tun, der eine vernünftige DVD-Auswertung endlich verdient hätte!


Fazit: Faszinierende Parabel mit einfachem, politischen Subtext und lange nachwirkenden Bildern.

Punktewertung: 8,5 von 10 Punkten