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Von Grindhouse bis Arthouse...
Besprechungen übersehener, unterbewerteter oder obskurer Werke der Filmgeschichte!

Samstag, 14. Dezember 2013

Von Blutsaugern und der französischen Filmkunst

Irma Vep
F 1996
R.: Olivier Assayas


Worum geht's?: René Vidal (Jean-Pierre Léaud) hat schon bessere Zeiten erlebt. Der Regisseur französischer Filmkunst wirkt kreativlos und leer, sein nächstes Projekt ist ausgerechnet ein Remake des berühmten Stummfilmserials Les Vampires von 1915, eines eigentlich als unantastbar geltenden Werkes.
Für die Hauptrolle der Irma Vep hat der fahrig wirkende Vidal bereits die schöne Chinesin Maggie Cheung (eben jene) besetzt, da ihm deren Präsenz im Actionstreifen Heroic Trio ins Auge gefallen war und er sich offenkundig bereits zuvor in die zarte Asiatin verguckt hatte.
Jene hat am Pariser Set zwar schwer mit der ständig vorhandenen Sprachbarriere zu kämpfen, doch findet sie in der lesbischen Kostümbildnerin Zoé (Nathalie Richard) schnell eine Freundin, welche allerdings, im Gegenteil zu Vidal, aus ihrem Interesse an der am Set stets in schwarzes Latex gekleidete Amazone zunächst noch selbst einen Hehl macht, allerdings bei einer Party von einer Bekannten etwas unsensibel geoutet wird.
Dann erleidet Vidal plötzlich in seiner Wohnung nach einem Streit mit seiner Ehefrau einen Zusammenbruch und es ist ungewiss, ob die Dreharbeiten je abgeschlossen werden.
Während Maggie tapfer versucht sich den Nachstellungen und Intrigen am Set zu erwehren und in Interviews zu kämpfen hat, schwelt versteckt der Plan, Vidal den Film gänzlich zu entziehen und das Projekt von dessen Kollegen José (Lou Castel) beenden zu lassen. Dieser hat nicht nur starke Bedenken, was das bereits von Vidal abgedrehte Material angeht - auch die Hauptdarstellerin ist ihm ein Dorn im Auge.


Wie fand ich's?: Fiktionale Werke über das Filmemachen sind ja in der Filmgeschichte nicht allzu selten, man denke nur an Fellinis autobiografischen Seelenstriptease 8½ (I 1963 dt.: Achteinhalb) oder den eine Dekade später entstandenen La nuit américane (F 1973 dt.: Die amerikanische Nacht) von François Truffaut.
Gleiches trifft auf Filme über Sprachbarrieren zu, Dances with Wolves (USA/GB 1990 R.: Kevin Costner dt.: Der mit dem Wolf tanzt) oder Sofia Coppolas Lost in Translation (USA/J 2003) kommen einem in den Sinn.
Irma Vep verbindet diese beide Inhalte und fügt noch weitere hinzu. Da ist der Filmstar in der Fremde, der daraus resultierende Kulturclash, die deshalb zum Scheitern ebenso verurteilte, lesbische Romanze mit der sensiblen Kostümbildnerin, wie das (scheinbar) zum selbigen verurteilte Remake eines Klassikers aufgrund der Labilität des Inszenators.
Anders als in Woody Allens Stardust Memories (USA 1980) oder dessen direktem Vorbild 8½ verlegt Assayans aber die Protagonistenrolle vom (an Selbstzweifeln leidenden) Regisseur zur Hauptdarstellerin und die Perspektive von innen nach außen. Dadurch verhindert Assayans den direkten Vergleich mit diesen Werken und schafft Raum für zusätzliche Themen und Personen.
So reflektiert Regisseur und Drehbuchautor Assayans nebenher noch über die Stellung des intellektuellen, französischen Arthouse- bzw. Autorenfilms zur Mitte der 90er Jahre, in dem er in einer grotesken Szene dieses ausgerechnet von der Chinesin Cheung gegenüber einem französischen Journalisten und John Woo Fan verteidigen lässt.
Einen zusätzlich melancholischen Ton bekommt der Film durch die zarte Liebesgeschichte zwischen Maggie und Zoe, eine Liebe, die allerdings von Ersterer nicht erwidert wird und in einer wunderbaren Szene vor einer Pariser Disco kulminiert.
Tatsächlich heiratete Oliver Assayas seine Hauptdarstellerin zwei Jahre nach den Dreharbeiten zu Irma Vep im Jahr 1998, man ließ sich allerdings bereits 2001 wieder scheiden, nur um erneut drei Jahre später mit dem mehrfach preisgekrönten Junkiedrama Clean (F/CAN/GB 2004) seine Exfrau wieder als gefeierten Star nicht nur in Cannes auf die Leinwände zu bringen.


Fazit: Eine wundervoll unaufgeregte, lakonische Tragikkomödie über eine Künstlerin in der Fremde und ein ziellos dahinvegetierendes Filmgenre. Das schaff(t)en nur Fellini, Allen oder eben Assayans.

Punktewertung: 8,5 von 10 Punkten