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Von Grindhouse bis Arthouse...
Besprechungen übersehener, unterbewerteter oder obskurer Werke der Filmgeschichte!

Sonntag, 22. Juni 2014

Im Regen brannten unsere Geister lichterloh

Gadkie lebedi bzw. Гадкие лебеди (dt.: Die Hässlichen Schwäne; eng.: The Ugly Swans)
R/F 2006
R.: Konstantin Lopushanskiy

Worum geht's?: Eurasien in der nahen Zukunft. 
Der Schriftsteller Victor Banev (Gregory Hlady) ist Mitglied einer UN-Kommission, welche die sonderbaren und höchst beunruhigenden Vorgänge in Taschlinsk aufklären sollen.
Dort hat eine kleine Gruppe von sogenannten "Aquattern" die in ständigem Regen liegende Stadt mit einer Energiebarriere umgeben und sich mit einer Schar Kinder in eine Schule für Hochbegabte zurückgezogen. Niemand kennt die Herkunft der neuen Herren der Stadt, welche ihre Gesichter hinter Masken verstecken und nur Menschen nach vorheriger Kontrolle in einer Zone vor der Stadt den Zugang zu dieser gewähren.
Umstände, welche das Militär in höchste Alarmbereitschaft versetzen und Stimmen nach einer völligen Evakuierung der Stadt und totalen Auslöschung der "Aquatter" durch Chemiewaffen laut werden lassen.
Unter dieser Bedrohung sucht Banev in Taschlinsk die Schule auf, wo sich auch seine Tochter Ira (Rimma Sarkisyan) unter den Schülern aufhält.
Dort muss der Poet feststellen, dass die Kinder unter der Anleitung der sonderbaren Wesen bereits eine höhere Stufe der Intelligenz erreicht haben und sogar zur Levitation fähig sind.
Im Gespräch mit Ira erfährt er zudem, dass die Kinder nicht gewillt sind Taschlink selbst unter höchster Gefahr zu verlassen.
Da ertönen plötzlich Sirenen in der Stadt und Soldaten durchkämmen die Straßen...



Wie fand ich's?: Der Druck auf einen Kunstschaffenden wächst proportional mit der Größe seines Mentors. So die Theorie.
Wenn man Produktionsassistent am Set des Sci-Fi-Meisterwerks Stalker (SU 1979) von Regielegende Andrei Tarkowsky war, hinterlässt dies Spuren. Im Werk des Konstantin Lopushanskiy finden sich zahlreiche Verweise auf den großen sowjetischen Filmemacher Andrei Arsenjewitsch Tarkowsky und besonders auf dessen legendären Stalker, der auch in meiner eigenen Top Ten der besten Sci-Fi-Werke ganz vorne steht.
Bekannter als der hier besprochene Gadkie lebedi sind Lopushanskiys frühere Werke Pisma myortvogo cheloveka (SU 1986 dt.: Briefe eines Toten) und Posetitel muzeya (SU/BRD/CH 1989 dt.: Der Museumsbesucher), welche beide den Helden in einer post-apokalyptischen Szenerie zeigen, nicht unähnlich der Welt im Regen, die Gadkie lebedi dem Zuschauer präsentiert und wie Tarkowsky in Stalker bedient sich Lopushanskiy hier der Geräusche und der Bilder fallender Wassertropfen. 
Eine weitere direkte Verbindung stellen die Brüder Strugatskiy dar, welche sowohl die literarischen Vorlagen für Gadkie lebedi und Stalker lieferten. Beide Filme verwenden diese jedoch nur im Ansatz und tatsächlich zeigt Lopushanskiy in seinem Film eine Endszene, welche so nicht im Buch auftaucht und erneut direkt Bezug auf die Schlussszene aus Stalker nimmt. 
Dabei ist Gadkie lebedi allerdings wesentlich zugänglicher als Tarkowskys Kultfilm, erzählt er seine Geschichte doch in einem gewohnten Tempo, statt langsam und beinah meditativ, und auch die Moral des Films liegt nach dem Ende praktisch offen auf der Hand.
Hier mag für mich aber auch die größte Schwäche des Films liegen, bietet Lopushanskiy doch letztendlich "nur" ein recht eindeutiges Plädoyer für Toleranz und Verständnis gegenüber Andersdenkenden und liefert darüber hinaus nur wenig Ansatz zur weiteren Reflexion. Zwar halte ich jeden Aufruf zu Toleranz für nötig und angebracht, doch hätte ich mir zusätzlich etwas mehr Substanz und Inhalt gewünscht.
Nichtsdestotrotz bieten Die hässlichen Schwäne doch entgegen des Titels so einiges fürs Auge. Da sind die in tiefe Gelb- und Rottöne getauchten Bilder voller Melancholie und Verfall, da ist ein überschwemmtes Café im Neonlicht, da ist Victor, der zuckend auf dem Rücken liegt und in Zungen redet.
Mehr als inhaltlich überzeugte mich dieser Film somit auf der visuellen Ebene. Diese ist natürlich meilenweit entfernt vom trivialen Popcornkino eines Michael Bay mit all seinen üppigen CGI-Effekten, es ist aber leider eh fraglich, ob sich ein Fan aktueller Blockbuster je in dieses Kleinod verlaufen würde. Was dann auch wieder irgendwie schade ist und eine Toleranzdebatte eröffnet...


Fazit: Erreicht nicht die Größe seines Vorbilds, stellt aber einen durchaus gelungenen, empfehlenswerten Beitrag zum zeitgenössischen Science-Fiction-Kino dar.



Punktewertung: 8,25 von 10 Punkten