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Besprechungen übersehener, unterbewerteter oder obskurer Werke der Filmgeschichte!

Samstag, 7. Juni 2014

Sommer, Sonne, Kopfschuss...

Macchie solari aka. Autopsy aka. Sun Spots (Autopsie - Hospital der lebenden Leichen)
I 1975
R.: Armando Crispino



Worum geht's?: Italien im Hochsommer.
Die Hitze steigt in der Metropole am Tiber und es kommt zu einer bizarren Serie von Selbstmorden.
Die junge Ärztin Simona (Mimsy Farmer) hat nicht nur beim Job in der Pathologie mit zunehmenden Halluzinationen zu kämpfen, und zweifelt so bereits an ihrer Auffassungsgabe, als eine neue Geliebte ihres Vaters plötzlich mit einer furchtbaren Schusswunde im Kopf vor ihr auf dem Seziertisch liegt.
Als dann noch der energische Bruder der Toten (Barry Primus), ein zum Priestertum konvertierter Ex-Rennfahrer, bei Simona auftaucht und nicht an einen Selbstmord seiner Schwester glaubt, beginnt Simona immer mehr um ihren Verstand zu kämpfen.
Doch auch ihr lebenslustiger Freund Edgar (Ray Lovelock) kann der labilen Frau nicht helfen, die bald schon um ihr Leben bangen muss, denn der Killer sucht weitere Opfer...




Wie fand ich's?: Dieser Film verfährt einmal mehr nach dem schönen Motto: Erst antäuschen, dann hoffentlich unversehens mitten ins Schwarze treffen. Was hier wie ein Science-Fiction- oder Mystery-Thriller beginnt, wandelt sich erst im letzten Drittel zu einem einigermaßen gängigen Giallo, der auch gleich einige der klassischen Mängel des Genres mitbringt. So ist die Auflösung des Ganzen nicht übermäßig logisch (ich habe allerdings auch schon wesentlich Schlimmeres in dieser Hinsicht gesehen...), kommt aber zumindest angenehm überraschend daher.
Tatsächlich schafft es Regisseur Armando Crispino, der zuvor bereits den wesentlich langweiligeren Giallo L'etrusco uccide ancora (I/BRD/YU 1972 dt.: Das Geheimnis des gelben Grabes) abfertigte, dem Zuschauer die flimmernde Hitze der Stadt spürbar zu machen und eine stetig dräuende Atmosphäre des Wahns und des Schreckens zu vermitteln.
Dazu trägt auch wieder einmal der schöne Score Ennio Morricones bei, der mal attonale Rückkopplungen, mal seufzende Damen und mal feine Melodeien auf die Tonspur zaubert.
Die seit Argentos 4 mosche di velluto grigio (I/F 1971 dt.: Vier Fliegen auf grauem Samt) zur Genreikone erklärte Mimsy Farmer ist wie immer eine Bank und in der Tat erinnert Macchie Solari (was aus dem Italienischen übersetzt Sonnenflecken bedeutet) in Ton und Wirkung an Francesco Barillis Meisterwerk Il profumo della signora in nero (I 1974 eng.: The Perfume of the Lady in Black) in dem die als Merle Farmer 1945 in Chicago geborene Amerikanerin schon ein Jahr zuvor fabelhaft die Hauptrolle bestritten hatte.
Der deutsche Titel Autopsie - Hospital der lebenden Leichen scheint auf die Teilnahme Ray Lovelocks hinweisen zu wollen, der 1974 in Jorge Graus unterschätztem Non si deve profanare il sonno dei morti (I 1974 dt.: Das Leichenhaus der lebenden Leichen) zu sehen war, und an dessen Erfolg man hierzulande durch den Titel wohl direkt noch mit aufspringen wollte. Zwar wird Crispinos Film so fälschlicherweise mit in die Zombieschublade gesteckt, doch hat der Zuschauer ja tatsächlich zumindest in der ersten Hälfte des Films das Gefühl, sich in eben einem solchen befinden zu können. Dazu tragen auch die gelungen Gore-Effekte bei, die teilweise an Crispinos Kollegen Lucio Fulci erinnern.
Insgesamt ist Crisprino mit Macchie solari zum Abschluss seiner Regielaufbahn noch so etwas wie sein persönliches Meisterwerk gelungen (er drehte im selben Jahr noch die bizarre Horrorkomödie Frankenstein all'italia [I 1975 dt.: Casanova Frankenstein], deren deutscher Titel bereits keine weiteren Fragen offen lässt...); ein Film, der allein auf eine geschlossene, düstere Atmosphäre und eine misanthrope Weltsicht setzt. Dies zeigt sich auch bei der Auflösung des Ganzen, wo ausgerechnet - VORSICHT SPOILER!:

Wenn dass dann auch nicht nur konsequent ist...


Fazit: Die perfekte, fiese Unterhaltung für heiße Sommernächte - ein flirrender, fieberhafter Alptraum vor schwüler Kullisse.



Punktewertung: 7,25 von 10 Punkten