Egal ob Exploitation, Gialli, Horror oder Sci-Fi...
Von Grindhouse bis Arthouse...
Besprechungen übersehener, unterbewerteter oder obskurer Werke der Filmgeschichte!

Freitag, 15. Mai 2015

Alle Güte wird chirurgisch entfernt

Borgman
NL/B/DK 2013
R.: Alex van Warmerdam


Worum geht's?: Drei Männer werden von einem bewaffneten Lynchmob aus ihren unterirdischen Verstecken in einem Wald vertrieben. Ihr Anführer (Jan Bivoet) taucht wenig später an der Haustür einer augenscheinlich gut situierten Familie auf und bittet um ein Bad. Vom eifersüchtigen Familienvater (Jeroen Perceval) zuvor noch zusammengeschlagen worden, lässt ihn dessen Gattin (Hadewych Minis) nun reumütig als geheimen Gast ins Haus. Sie ahnt nicht, welche Ausgeburt der Hölle sie da in ihre luxuriöse Behausung holt...


Wie fand ich's?: Das Motiv des Unheil bringenden Landstreichers ist kein neues - man denke nur an Alice Coopers Cameo in John Carpenters Prince of Darkness (USA 1987 dt.: Die Fürsten der Dunkelheit) oder die Titelfigur aus der meist sträflich unterbewerteten Horrorsatire The Vagrant (USA/F 1992 R.: Chris Walas dt.: Scary - Horrortrip in den Wahnsinn), welche hierzulande seit Jahren einer angemessenen Veröffentlichung harrt.
Der Niederländer Alex van Warmerdam (*14.08.1952) tut sich seit seinem Regiedebüt Abel (NL 1986) als Schöpfer absurder Grotesken hervor, in denen sowohl er wie auch seine Ehefrau Annet Malherbe zumeist größere Rollen besetzen. So auch in Borgman, einem fiesen, surrealen Albtraum, der auf internationalen Filmfestivals zahlreiche Preise abräumte, in Cannes nominiert war und in den USA für den Oscar vorgeschlagen wurde.
Borgman verbindet das in den letzten Jahren so stark abgeleierte Genre des Home-Invasion-Films mit sozial- und familienkritischen Tönen, surrealen Bildern und religiös interpretierbaren Motiven, womit er auch stark an Pasolinis Teorema (I 1968 dt.: Teorema - Geometrie der Liebe) erinnert.
Van Warmerdam bietet dem Zuschauer überhaupt viel Raum für eigene Interpretationen - was hat es mit den plötzlich auftauchenden Windhunden und den Narben auf den Rücken mancher Charaktere auf sich? In den Deleted Scenes der deutschen Blu Ray findet man zwei weitere Szenen, die den Film verstärkt in den Bereich des übersinnlichen Horrorfilms gestoßen hätten, welche allerdings als zusätzliche Beigabe mehr als interessant sind.
Insgesamt hat man es hier mit einem wunderbaren Beispiel für die These zu tun, dass gutes Terrorkino auch ebenso subtil wie kunstvoll und ohne unnötig explizite Gewaltexzesse daherkommen kann.
Die Darsteller sind allesamt als großartig zu bezeichnen, vorneweg Jan Bijvoet, der bislang nur wenig außerhalb des belgischen Fernsehens zu sehen war und der Titelfigur ein mysteriöses Flair verleiht. Der Regisseur selbst tritt in einer größeren Nebenrolle auf, seine Gattin darf ebenfalls einer ebenso faszinierender wie Furcht einflößender Figur ein Gesicht verleihen, welches dem Publikum in Erinnerung bleiben wird.
Am 28. Mai erscheint van Warmerdams neustes Werk Schneider vs. Bax (NL 2015) in den niederländischen Kinos. Plakat und Inhaltsangaben verheißen erneut Großes, wenngleich der Trailer (bewusst) unspektakulär daherkommt. Wir werden sehen...


Fazit: Ein verstörender, düsterer Trip zu den Dämonen, welche unter uns hausen. Ein famoser Horrorthriller aus dem Land der Windmühlen und Grachten - ohne diese freilich je zu zeigen.


Punktewertung: 9 von 10 Punkten