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Von Grindhouse bis Arthouse...
Besprechungen übersehener, unterbewerteter oder obskurer Werke der Filmgeschichte!

Sonntag, 5. Juli 2015

Das aufmerksame Auge des Betrachters

Eyewitness (USA: Sudden Terror)
UK 1970
R.: John Hough


Worum geht's?: Malta bei strahlendem Sonnenschein. Zusammen mit seiner Schwester Pippa (Susan George) sieht sich der ebenso aufgeweckte wie phantasiebegabte Knirps Ziggy (Mark Lester) in einer pulsierenden Menschenmenge einen Staatsempfang an. Um einen besseren Blick zu haben, begibt sich der Kleine in ein anliegendes Haus, nur um dort einem Attentäter in Polizeiuniform zu begegnen, der soeben dem Staatsgast eine Kugel ins Hirn gejagt hat und nun mit einem Helfershelfer die Jagd auf den Knirps eröffnet.
Von seiner Schwester getrennt, flüchtet Ziggy durch die Straßen, die beiden Verfolger stets auf den Fersen. Mithilfe des sympathischen Tom (Tony Bonner) gelingt es Pippa den Jungen auf einer Landstraße aufzugreifen und zurück zu seinem Großvater (Lionel Jeffries) in den heimischen Leuchtturm zu bringen.
Doch die Verfolger in Uniform geben nicht auf und schrecken auch nicht vor weiteren Morden zurück...


Wie fand ich's?: Augen, immer wieder Augen. In John Houghs vergessenem Langfilmdebüt Eyewitness wird man nicht nur zum titelgebenden Augenzeugen des Augenblicks eines Verbrechens, sondern auch zum Zeugen einer Vielzahl von in die Kamera blickenden Augen. Manche blicken in Furcht, anderen sieht man in der Nahaufnahme die Zwietracht an, die sich auf der Retina abzuzeichnen scheint.
Dabei beginnt alles so hell im gleißenden Sonnenlicht auf der schönen Insel Malta, wenngleich der Name der Insel im Film selbst nie genannt wird.
Ein Attentat findet am helllichten Tag statt, ein Kind allein kann den Täter in Polizeiuniform identifizieren und nur der feste Zusammenhalt seiner Familie kann zum Schluss die Übeltäter stoppen. Das erinnert irgendwo an Elemente aus Hitchcocks The Man Who Knew Too Much (USA 1956), ist aber in erster Linie eine weitere Adaption der klassischen Kurzgeschichte The Boy Cried Murder (später unter dem Titel Fire Escape wiederveröffentlicht), welche bereits 1949 von Ted Tetzlaff als The Window (USA 1949 dt.: Das unheimliche Fenster) und später von George P. Breakston unter dem ursprünglichen Titel der Short Story, The Boy Cried Murder (UK/BRD/YU 1966 dt.: Ein Junge schrie Mord), verfilmt worden war.
Weitere Parallelen gibt es zu Peter Weirs Witness (USA 1985 dt.: Der einzige Zeuge), in welchem ebenfalls ein Kind, hier Mitglied einer Gemeinde von Amischen, Zeuge eines Mordes durch Ordnungshüter wird.
Kommt Weirs Film fünfzehn Jahre nach Eyewitness ohne jegliches Comic relief daher, so lockerte Hough seine Handlung mit der Figur des exzentrischen Großvaters, brillant verkörpert von Lionel Jeffries, auf und schafft so einen interessanten Kontrast zum ansonsten todernsten Plot. Jeffries (* 1926; † 2010) war mir persönlich besonders durch seine Rolle als Kapitän in George Pollocks putzigem, letzten Teil seiner Miss-Marple-Trilogie Murder Ahoy (UK 1964 dt.: Mörder Ahoi!) im Kopf geblieben und er ist es, der mit seinem Schauspiel die meisten Szenen in Eyewitness deutlich dominiert. So spielt er als heimlicher Star des Films selbst die kumpelhaft-jugendlich wirkende Susan George locker an die Wand, während Tony Bonner mich irgendwie ständig an einen jungen Ray Lovelock erinnerte.
Zu der interessanten Besetzung gesellen sich tolle Regieeinfälle und ein superber Score, wobei ich auch das (atmosphärisch etwas unpassende) Titellied der legendären, britischen Progrockband Van der Graaf Generator hier nicht unerwähnt lassen möchte.
Alles in allem also ein feiner, sommerlicher Thriller für lauschige Fernsehabende am offenen Fenster - oder so.


Fazit: Ein hierzulande total untergegangener, wenig gesehener Thriller, welcher es verdient hätte, endlich wieder an die Sonne geholt zu werden.


Punktewertung: 8 von 10 Punkten