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Freitag, 9. Oktober 2015

Die Rückkehr der Klassiker #3: Vorsicht an den Türen!

Death Line aka. Raw Meat (Tunnel der lebenden Leichen)
GB 1972
R.: Gary Sherman
 

Worum geht's?: London in den frühen 70er Jahren.
Ein junges Pärchen findet des Nachts in einer menschenleeren U-Bahn-Station einen bewusstlosen Herrn. Obwohl der Amerikaner Allen (David Ladd) seine Freundin Patricia (Sharon Gurney) davon überzeugen will, dass es sich bei der gut gekleideten Person lediglich um eine Schnapsleiche handelt, gelingt es dieser jedoch Allen dazu zu überreden Hilfe zu holen.
Als man jedoch in Begleitung eines Polizeibeamten an den Fundort zurückkehrt, ist der Körper von den Treppenstufen des U-Bahnhofes verschwunden. Als einziger Anhaltspunkt über die Identität des Vermissten dient eine von Allen aus dessen Brieftasche genommene Karte, welche die Person als den Staatsbeamten James Manfred (James Cossins) ausweist.
Dem misanthropen Inspektor Calhoun (Donald Pleasence) gefällt die Affäre gar nicht, gab es doch an gleicher Stelle bereits mehrere sonderbare Vermisstenfälle, die man jedoch als Aktenleichen bisher unbeachtet gelassen hatte. Aufgrund des gesellschaftlichen Standes des letzten Opfers sieht Calhoun sich nun erst mal zur Handlung gezwungen und macht bei einer Untersuchung der Privaträume des Staatsdieners auch gleich Bekanntschaft mit einem grimmigen Geheimdienstler (Christopher Lee in einem Kurzauftritt), der dem Inspektor von weiteren Ermittlungen über den im Rotlichtmilieu sehr umtriebigen Manfred auf seine Weise dringend abrät.
Calhoun bohrt weiter, und erfährt von einem tragischen Unglück bei Bauarbeiten an den U-Bahn-Schächten im Jahre 1892.
Doch wie kann ein so lang zurückliegendes Drama noch achtzig Jahre später Opfer fordern?


Wie fand ich's?: Dem damals 27-jährigen Amerikaner Gary Sherman gelang mit seinem Spielfilmdebüt Death Line in Großbritannien etwas, wovon viele seiner Kollegen nur träumen konnten.
Während sich z. B. die im Genre etablierten Hammer-Studios bereits seit Jahren mehr oder weniger im Kreis drehten, schuf Sherman einen funktionierenden Mix aus Horrorfilm und Gesellschaftskritik, angereichert mit nie in Richtung Kitsch abdriftendes Pathos und viel Gefühl für seine Figuren.
Death Line (der in den USA unter dem Alternativtitel Raw Meat veröffentlicht wurde) zeigt das London der 70er Jahre als ein tristes Umfeld für Menschen, welche eigentlich kaum noch miteinander kommunizieren und ihre Werte scheinbar fast gänzlich verloren haben. So ist der Student Allen sofort bereit eine offenbar hilfsbedürftige Person sich selbst zu überlassen, seine Angst vor Verantwortung führt fast zu einem Zerwürfnis mit seiner Freundin, welche als Einzige noch so was wie Mitgefühl besitzt. Auch der teesüchtige Inspektor legt Arbeit zunächst lieber erst mal zur Seite, hat er doch seinen Glauben an so etwas wie Gerechtigkeit lange verloren.
Im Kontrast zu diesen „Helden“ steht bei Sherman nun das „Monster“, ein durch seine Lebensumstände zur Existenz als Kannibale gezwungener Nachfahre der zu „Wegwerfutensilien“ ernannten Opfer der Industriellenrevolution. Diese Person kümmert sich rührend um seine sterbende Liebe und bringt auch die Ermordung seines letzten Opfers nicht übers Herz. Immer wieder stammelt er seine einzigen artikulierten Worte „Vorsicht an den Türen!“, und dem Zuschauer wird klar, dass die junge Studentin von ihm vielleicht weniger als Nahrung, sondern eher zur neuen Lebensgefährtin auserkoren worden ist.
Dem gegenüber steht die „Freizeitgestaltung“ des biederen Staatsbeamten Manfred, den man zu Beginn des Films in der Umgebung von Stripklubs und Peepshows sieht, bis er in der U-Bahn eine Prostituierte anspricht. In einem Kurzauftritt als MI5-Agent tritt Christopher Lee auf, eine Rolle, welche wohl nur zu einem werbewirksamen Zweck eingebaut wurde und der man ansieht, das Pleasence und Lee wohl nicht tatsächlich zur gleichen Zeit im Studio waren.
Donald Pleasence gibt den grummeligen Polizisten mit merklicher Spielfreude, sechs Jahre später sollte auch er sich als Dr. Loomis in John Carpenters Halloween allgemeiner Bekanntheit bei Fans des Horrorgenres erfreuen.
Für Regisseur Gary Sherman sollten hingegen ganze neun Jahre ins Land gehen, bis er mit dem ebenfalls bemerkenswerten Zombiefilm Dead & Buried (USA 1981 dt.: Tot & Begraben) zu den lebenden Leichen zurückkehren sollte. Danach folgten vermehrt Arbeiten fürs TV und die Regie beim misslungenen dritten Teil der Poltergeist-Reihe: Poltergeist III (USA 1988 dt.: Poltergeist III – Die dunkle Seite des Bösen), der sich leider weit größerer Popularität als Shermans wesentlich gelungeneres Frühwerk erfreut.



Fazit: Diese kleine Perle des Horrorfilms ist hierzulande immer noch nur als Bootleg erhältlich und auch im Ausland ist keine feine Blu Ray in Sicht... *seufz*


Punktwertung: 8 von 10 Punkten